Auf dem Bahnsteig lag ein weggeworfener Kassenzettel, zerknüllt und flachgetreten. Ein Kopf? Wir hätten ihn sicher übersehen, wenn wir nicht gerade Ausschau gehalten hätten nach Gesichtern: Wie lässt sich ein menschliches Profil aus Papier falten, möglichst im Handumdrehen?
Nun ist es ja so: Faltanleitungen operieren oft mit rechten Winkeln oder Winkelbrüchen, mit Symmetrien und Gradlinigkeit – was am Ende oft auch die Schönheit gefalteter Objekte ausmacht. Der platte Zettel vor uns aber war krumm und schief – doch dabei schlicht und deutlich in seiner Form. Wir sahen: Es geht auch asymmetrisch, mit abgebrochenen Falten und willkürlichen Winkeln. So begannen wir zu experimentieren, und daraus wurde dann z.B. das vom Vater verstoßene Mädchen (aus unserer Produktion ‚SALZ‘) oder der König mit den 3 seltsamen Träumen (aus dem georgischen Märchen von der Weisen Schlange).
Häufig werden wir gefragt, wie ‚man auf solche Ideen kommt‘. Nun, manchmal kommen sie tatsächlich zu uns, zum Glück, sie liegen uns bisweilen sogar zu Füßen. Allerdings haben wir den zusammengetreten Zettel wohl nur wahrgenommen, weil wir uns vorher die Frage nach einem Faltprofil gestellt hatten und nun in dieser Frage lebten.
Was lässt sich daraus ableiten? Keine goldene Regeln für Kreativität jedenfalls, wie sie im Netz so gern flachgetreten werden. Aber Fragen sind selten verkehrt, je präziser desto besser. Und dann findet sich manchmal unverhofft eine Antwort, und sei es auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. (02/2025)