Die Kleinste Bühne der Welt Hedwig Rost & Jörg Baesecke

Aktuelles/Blog

Schlüsselgeschichten

Zum Jahreswechsel  ist eine neue kleine Geschichte in unser Repertoire gekommen – begleitet von Wünschen und Hoffnungen für die nächste und übernächste Zukunft.

Über Kritzelgeschichten (drawing stories) war hier bereits etwas zu lesen: Geschichten, bei denen das Erzählen zeichnend begleitet wird, meist nur mit einer einfachen Linie – und am Ende ist ein kleines Bild entstanden. Der Reiz dieser Geschichten besteht nicht zuletzt in ihrer Einfachheit, sie laden zum Nach-Machen und Weiter-Tragen ein, sie gehören nicht dem einzelnen Erzähler oder der einzelnen Erzählerin, sie gehören der Welt.

Schlicht sind sie aber oft nur auf den ersten Blick. Manchmal braucht es einen zweiten, um zu tieferen Schichten zu gelangen – damit das Gebilde überhaupt erst ‚Ge-Schichte‘ wird. Die Prinzessin, die im Wald beim Spielen die Zeit vergessen hat und nun vor verschlossenen Toren steht, hat – ohne es zu wissen – den Schlüssel schon in der Hand. Der eigene Lebensweg hat die Ressource gebildet, mit der sich die Aufgabe lösen lässt. Genau darin liegt oft das Wohltuende und Tröstliche der Märchen: dass Heldin oder Held vor genau die Aufgaben gestellt werden, für die sie zuvor Helfer oder Hilfsmittel gewonnen haben. Diese Erfahrung wünschen wir Ihnen, euch und uns für’s Neue Jahr – auch im wirklichen Leben!

Zeit:Geist

Im Theater fragen uns Kinder oft: „Wie lange habt ihr dafür gebraucht?“ Selten bietet sich eine griffige Antwort: Manchmal gelingt ein Stück fast im Handumdrehen, manchmal dauert es Jahre, bis eine Geschichte auf die Bühne kommt, einiges schafft es auch nicht über den Entwurf hinaus. Die Geschichte vom ‚Affen auf dem Dach‘ war nach einem Vierteljahr fertig, die ‚Reise um die Erde‘ fand nach zwei, drei Tagen ins Ziel, an ‚Salz‘ haben wir ein ganzes Jahr gearbeitet. Aber was ist damit gesagt?

Im Herbst 2000 habe ich eine Geschichte gehört, von Ben Haggarty, die mich nicht mehr losgelassen hat und seither zu meinen Lieblingsgeschichten zählt. Immer wieder habe ich versucht, eine passende Bild-Sprache zu finden. Mats Rehnman aus Stockholm hat mir dazu eine Silhouette geschnitten. Eine Sufi-Geschichte, hörte ich hier, ein armenisches Märchen – sagte man mir dort. Oder doch ein georgisches? Ein König träumt, er kommt von der Jagd zurück und findet am Tor seines Schlosses einen Fuchsschwanz angenagelt. Wer deutet ihm diesen Traum, und was bedeuten seine folgenden Träume? – Letztlich geht es in der Geschichte um Willensfreiheit, darum, in wie weit unser Tun vom Zeitgeist bestimmt ist.

Vielleicht ist jetzt, im Herbst 2018, die Zeit reif. Ungläubig schauen wir in die Welt, was  für ein Zeitgeist da gerade Einzug hält. Und plötzlich hat sich ein Weg aufgetan, die Geschichte auf die Bühne zu bringen und – ja: zu Papier, denn es entsteht nun wieder ein BühnenBilderBuch. Das hoffentlich in diesem Winter fertig wird, sodass ich irgendwann werde sagen können: Mehr als 18 Jahre habe ich daran gearbeitet.  (J.Bae / Nov. 2018.l

Mehr dazu: Traumspuren

Spielzeit 2018 – 2019

München. Sieben Jahre sind um, und nun tanzen sie wieder: Im Januar und Februar 2019 werden in der Stadt vielerorts die Schäffler zu sehen sein, zur Erinnerung an Pestzeiten und zur Wiederbelebung des öffentlichen Raums. In den StadtTorHeiten wird die ganze Geschichte erzählt, und zwei andere Stadtsagen dazu, mit einem zierlichen Papiertheater.

Weiter im Repertoire: Mehr als 100 kurze Stücke, aus denen wir vielfältige Programme zusammenstellen können, für Aufführungen in Theatern und Sälen, im Klassenzimmer, in privaten Räumen …

Deutschland.  Von PUNKT PUNKT KOMMA STRICH über Bach, Goethe und die Brüder Grimm bis zur Nationalhymne – unser HeimSpiel  bietet einen kurzweiligen und originellen Blick auf deutsche Sprache und Kultur, für Erwachsene und Kinder.

Welt.  Wie hat alles angefangen? Und wie lange hält es noch? In Wie die Welt auf die Welt kam erzählen und zeigen wir Schöpfungsgeschichten aus 5 Kontinenten. Die Produktion ist fertig und tourneefähig.

Im September 2019 jährt sich der Ausbruch des 2.Weltkriegs. Papier.Krieg erzählt von den Fortwirkungen bis heute und bleibt weiter im Repertoire.

Mehr dazu und zu unseren anderen aktuellen Programmen findet sich hier.

Theater auf 54.796 KB

Aus erster Hand: Wir sehen uns ja ein wenig als Spezialisten der kurzen Form. Aber 35 Jahre Theater zusammenzufassen, und das in überschaubarer Länge, mit einer repäsentativen Auswahl all unserer Stücke – das bedeutete für uns doch eine ziemliche Herausforderung. Es hat eine ganze Weile gedauert, aber jetzt ist ein kleiner Film fertiggeworden und hier oder unter ‚Unser Film‘ abrufbar.

Wir wünschen allen Besuchern und Betrachtern beschauliche  11:55 Minuten!

Senior Slam

Eine Premiere – auf ganz neuem Feld: Zum ersten Mal bei einem Poetry-Slam dabei, beim Isar Slam im Münchner ‚Ampere‘. Als weitaus ältester Teilnehmer. Mit einem Text zum neuen bayrischen PsychKHG (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz): Psychisch Kranken droht die Aufnahme in eine polizeilich geführte Gefährder-Datei.

Vier exemplarische Kurz-Biographien sollten zeigen, wie schnell es gehen kann, auf diese Weise registriert zu werden. Basierend zum Teil auf realen Begegnungen und Begebenheiten. Verbunden mit einem Aufruf zur ‚ausgehetzt‘-Demonstration am 22.Juli in München. Das alles in 721 Worten.

Die Resonanz: Ausgesprochen ermutigend. Der Beitrag lief zwar außerhalb des Abend-Wettbewerbs,   hätte dort aber durchaus bestehen können. Weiter so! – war anschließend von nicht wenigen zu hören. Ein kurzer ähnlich vorgetragener Beitrag (Altern) findet sich ja bereits im Netz. Da tut sich jetzt vielleicht ein ganz neues Feld auf, hören wir mal!

Mehr als 1000 Worte

Immer wieder aufs Neue  suchen wir nach Formulierungen, um unsere Bühne treffend zu beschreiben: ‚Irgendwo zwischen story-telling und Figurentheater‘. Viele Worte sind es geworden im Lauf der Jahre. Nun soll uns ein kleiner Film bei der Veranschaulichung helfen.

Angekündigt  ist das Vorhaben schon eine ganze Weile; jetzt haben wir die Arbeit daran aufgenommen. Viele kurze Szenen, aus denen – so hoffen wir – die Vielfalt der Geschichten wie auch unserer Mittel deutlich wird.

Mit im Bild: Film-Aufnahmen von 1986.

Fertig: Voraussichtlich im Laufe dieses Sommers – also hoffentlich bald!

PREIS-WERT

Große Freude! Uns ist der Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung zugesprochen worden, der Tassilo-Preis. Damit haben wir ehrlich nicht gerechnet, allein schon weil wir – vor allem nach dem Ausscheiden aus der SCHAUBURG in München – hier doch recht selten öffentlich sichtbar sind. Von den vielen Klassenzimmer-Auftritten z.B. dringt ja kaum einmal etwas nach außen.

Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Preisträger – bei uns ist es das Lebenswerk, das nun bedacht wurde. Lebenswerk? Klingt das nicht schon ein wenig nach Abgesang? Im Winter wird es 35 Jahre her sein, dass wir das erste Mal zu zweit auf der Bühne standen. In dieser langen Zeit haben wir wirklich viel versucht und wohl auch Einiges erreicht – dazu demnächst einmal mehr. Es fühlt sich noch nicht so an, als seien wir an einem Ende angekommen, aber dass nun die zurückgelegte Wegstrecke eine so prominente Würdigung erfährt, freut uns wirklich, freut uns sehr!

Geheimnis-Verrat

Als unser Buch herauskam, meinten einige Freunde besorgt: „Jetzt verratet ihr ja all eure Geheimnisse!“ – Nun, alles haben wir damals natürlich nicht verraten. Außerdem wussten wir, dass manche der im Buch beschriebenen Dinge, auch wenn sie auf der Hand zu liegen scheinen, doch nicht im Handumdrehen getan sind. Eines aber war uns bewusst: Jetzt geben wir die Geschichten frei. Wir wollten dazu einladen, auch selbst einmal Ähnliches auszuprobieren. Wir fanden die Zeit reif, etwas von den eigenen Erfahrungen weiterzugeben. Angst vor Nachahmern haben wir bis heute nicht.

11 Jahre und eine Neuauflage später tauchen viele der damaligen Fragen wieder auf. So haben wir im Lauf unserer Arbeit viel über Papier gelernt, über das Material, über Schneidewerkzeuge und Klebstoffe, und das nicht nur bühnenbezogen, sondern durchaus auch alltagspraktisch. Ein Tages-Kursus in München „A3, A4 – alles aus Papier!“ schuf nun ein Forum, andere davon profitieren zu lassen. Die Skepsis am Anfang („In den Faschingsferien? Da sind doch alle zum Ski-Fahren!“) wurde gründlich widerlegt: Ausgebucht zwei Wochen nach der Veröffentlichung, also ein zweiter Termin am gleichen Wochenende, ebenfalls schnell ausgebucht, mit Warteliste. ‚Das einfachste Pop-Up der Welt‘, Heften ohne Heftklammer, ein selbstverschließender Briefumschlag, das 2-Wochen-Notizbuch, ein leicht zu bauendes Papiertheater, der Knallteufel, eine Geheimtinte aus dem Wasserhahn, Überraschungsbilder, Papiermechaniken … und all die kleinen Berufsgeheimnisse rund ums Schneiden und Kleben, die anderen vielleicht nervtötende Umwege ersparen können, kamen da auf den Tisch. Aber Verrat? Nie und nimmer. Verrat fühlt sich anders an.

Verraten und Weitergeben – im Griechischen ist das ein und dasselbe Wort. Über das Weitergeben als Glücksfaktor ist an anderer Stelle hier schon etwas veröffentlicht worden. Auch wenn das letzte Blatt hoffentlich noch in weiter Ferne liegt – angesichts eigener Endlichkeit ist es wirklich sinnstiftend und beglückend, etwas von diesem Wissen mitzuteilen, von diesen Schätzen zu teilen. Freuen wir uns auf einen nächsten Kurs!

Geschaffen. Geschafft!

Wie die Welt auf die Welt kam – die Neu-Inszenierung unseres Programms mit Schöpfungsgeschichten ist fertig. Weiter unten ist von den Herausforderungen zu lesen, vor die wir uns gestellt sahen, transport- und lichttechnisch wie auch künstlerisch. Mit der – geglückten – Premiere liegt das nun alles hinter uns. Und jetzt, aber wirklich erst jetzt, können wir sagen, dass der Neuanfang, zu dem wir gezwungen waren, das Ganze noch einmal ein gutes Stück vorangebracht hat.

Entstehen – Vergehen

Wie die Welt auf die Welt kam  entsteht gerade neu, als mobile Produktion. Wir haben versucht, dafür noch einmal ganz unbefangen auf all die Schöpfungsgeschichten zu schauen: War uns da vielleicht bisher etwas entgangen?

Die meisten Weltentstehungsmythen erzählen natürlich von Anfängen. Manchmal, aber nicht immer, ist da ein planvoll handelnder Schöpfer tätig. Manchmal folgt aber auch nur ein Ereignis auf das nächste – die Schöpfung vollzieht sich einfach, ein Plan oder eine schöpferische Hand ist dabei nicht erkennbar. Fragen lässt sich hier wie dort, ob die Schöpfung eigentlich fertig, die Gegenwart also ein endgültiger Zustand ist – oder ob der Schaffensprozess noch fortdauert.

Tatsächlich klingt in einigen Geschichten an, dass die Welt irgendwann auch wieder vergehen könnte. Manchmal hat der Schöpfer die Welt nach vollbrachtem Werk verlassen, sie seinen Geschöpfen übergeben. Was ihnen, was uns ja einige Verantwortung auferlegt. Wer heutzutage den Eindruck gewinnt, dass die Menscheit im Begriff ist, sich abzuschaffen, kann da schon ins Grübeln geraten. Eines haben alle diese Geschichten gemeinsam: Sie führen uns die Kostbarkeit der Welt vor Augen, für deren Erhalt sich einzutreten lohnt. Vielleicht trägt auch unser kleines Stück dazu bei – wir würden uns freuen.